Testosterongesteuerte Männer à la Köln
- gaarz8
- 16. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. Juni
Folge 15

„Schlafen Sie mit Ihrem Liebling“, wirbt das „V8“-Hotel in Köln/Butzweilerhof um Gäste. Es ist ein „Freudenhaus“ der besonderen Art, wie schon der Name „V8“ (Motor) ahnen lässt. Das Hotel hat „Car-Suiten“ mit privaten Garagen „die direkt mit Ihrem Zimmer verbunden sind. Sie können dank großflächiger Verglasung mit Blick auf Ihren Schatz einschlafen und aufwachen.“ Deshalb: „Schlafen Sie mit Ihrem Liebling“.

Habt Ihr sie noch alle, liebe Kölner? Ich stelle mir einen angejahrten Lamborghini-Fahrer vor, wie er vor dem Schlafengehen mit der einen Hand liebevoll über den Kotflügel seiner PS-Schleuder streicht …
Genug der Phantasien. Ich habe mir sogar sagen lassen, dass es auch nachvollziehbare Gründe gibt, weshalb der Besitzer eines 300.000-Euro-Pkw bei Hotelübernachtungen besonders vorsichtig ist. Denn am nächsten Morgen muss er mit langen Kratzern auf der Motorhaube rechnen … wenn er überhaupt sein Auto wiederfindet. Übrigens ist es selbst mir vor vielen Jahren passiert, dass mein „popeliger“ Saab aus einer Hotelgarage geklaut und dabei die Ausfahrtschranke durchbrochen wurde. Dem kantigen Schweden-Auto weine ich heute noch hinterher.
Aber zurück zur besonderen Art der Automanie, wie ich sie geballt nur aus Köln kenne. Da entwickelt(e) sich an Wochenenden die Einkaufsmeile des Hohenzollernrings zur Rennstrecke für getunte Fords, BMWs und Ami-Schlitten. Tote Passanten inbegriffen. Nachdem die Polizei hart durchgegriffen hat, verlagerte sich die „Szene“ inzwischen in die Außenbezirke. Und natürlich weiß ich, dass es solche illegalen Rennen auch in Berlin, Dortmund oder anderswo gibt.
Doch eben - so kommt es mir vor - besonders im „hitzigen“ Rheinland. Da gilt das Dröhnen von PS-starken Motoren als Merkmal von besonderer Männlichkeit … besonders bei jungen Männern. In Nippes, einem der Kölner In-Viertel, erschrecke ich jedes Mal, wenn in den engen Häuserschluchten das Echo der tiefergelegten Boliden aufheult. Dagegen ist der alljährliche Veedels-Karnevalszug ein laues Lüftchen.
Und: schneller vorankommen ist gar nicht möglich. Die Autos, die die Innenstadtstraßen
verstopfen, bremsen sich gegenseitig aus. Fast 50 Millionen Pkw waren im letzten Jahr bundesweit zugelassen, so viele wie noch nie. Umgekehrt nehmen die durchschnittlichen jährlichen Fahrleistungen pro Pkw immer mehr ab, sie sanken 2023/24 auf unter 14.000 Kilometer. Was allerdings nach wie vor (zu) viel ist.
Dann sind die „Car-Suiten“ in dem Kölner Hotel doch ein idealer Aufbewahrungsort für Lamborghinis und Ferraris … und das beste Sinnbild für testoterongesteuerte automobile Freiheit und für zur Schau gestellten Wohlstand. – PS: Und ich bleibe bei meiner VW-Familienkutsche – inzwischen mit Hybridantrieb.
Nachbemerkung: Der kürzlich verstorbene Carlo von Tiedemann, norddeutsches Urgestein und einst begeisterter Porsche-Fahrer, gab mit 81 freiwillig seinen Führerschein zurück. Er fühle sich nicht mehr voll fahrtüchtig und wolle andere nicht gefährden, sagte er. Hochachtung.



