Komm' in die Puschen, innerer Schweinehund!
- gaarz8
- 25. Aug. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Aug.
Folge 9
Ich leide unter einer weitverbreiteten Krankheit: dem „inneren Schweinehund“ oder neudeutsch „Prokrastination“. Morgen ist auch noch ein Tag. Es fällt mir schwer, mich aufzuraffen. Das würde ich allerdings nie zugeben. Ich bin Weltmeister im Ausreden erfinden.
Warum das etwas mit dem „Fischkopp in Kölle“ zu tun hat? Wieso, fragte ich mich, schlendere ich nicht mehr so gern am Wochenende am Rhein entlang, zum Beispiel auf der linksrheinischen Promenade am Rheinauhafen? Herrlicher Blick aufs Wasser, links gesäumt von lichtdurchfluteten Wohnungen mit immergrünen Balkons, am Ende die berühmten Kranhäuser? Wieso? Es liegt an den Scharen von Freizeitsportlern und Gesundheitsaktivisten, die auf der Rhein–Promenade joggen oder walken, Fahrrad fahren oder Inline–Skaten. Junge und alte, dicke und dünne, Männlein und Weiblein, meist modisch herausgeputzt. Oft schnaufend … aber immer (so bilde ich mir ein) mit diesem selbstgefälligen Lächeln im Gesicht: Ich tue etwas für meinen Körper. Und ich sitze auf der Bank und schaue zu. Eine Weile neugierig und interessiert. Man sagt mir die Fähigkeit nach, zu jedem Gesicht spontan eine Biografie zu erfinden. Doch irgendwann vergeht mir die Lust am Zuschauen und Fabulieren. Dann treibt mich mein schlechtes Gewissen wieder zurück in die „Schlafstadt“ Bergisch Gladbach.
Was bleibt, sind Selbstzweifel. Die liebste Ausrede für meine Trägheit sind meine körperlichen Wehwehchen. Natürlich bin ich nicht mehr so fit wie mit 25. Es zwickt und zwackt überall, Ausdauer und Gleichgewicht sind diametral zum Körperumfang gewichen. Aber eigentlich bin ich fitter, als der Schweinehund mir vorgaukelt. Denn der innere Schweinehund erlaubt mir alles – vor allem, phlegmatisch zu sein.
Was tun, um wieder „inne Puschen“ zu kommen? Ich könnte mir einen Hund zulegen. Das ist ein beliebter Ratschlag gegen Bewegungsmangel. Nur dumm, dass ich zu denen gehöre, die Hunde nicht ausstehen können. Vor den großen habe ich Angst, gebissen zu werden; und die kleinen nerven mich mit ihrer Kläfferei. Außerdem brauche ich keinen Kindersatz; die fünf eigenen plus fünf Enkelkinder reichen mir aus.
„Wer zu viel will, macht manchmal gar nichts“, beschreibt mein Lieblings–Kolumnist Harald Martenstein im „Zeit“–Magazin die Trägheit von uns Willensschwachen und ergänzt: „Ich werde es nicht mehr schaffen, jemals Marathon zu laufen.“ Weil ihn Langlauf langweilt. Mich auch.
So könnte ich die Liste beliebig fortsetzen. Doch stopp: An meiner Büro–Pinnwand hängt ein Zitat des Bremer Altbürgermeisters Henning Scherf, der zu mehr Gelassenheit beim Älterwerden rät: „Wer mindestens 100 werden will, sollte nicht immer nur klagen, was nicht mehr geht, sondern sich darauf zu konzentrieren, was noch geht.“ Henning Scherf ist im letzten Oktober 85 geworden. Da habe ich noch Zeit. Ich werde morgen früh wieder zum „Aqua Fitness“ gehen. Drei-, viermal die Woche ein Stündchen. Umgeben von fröhlichen, ebenfalls zipperleingeplagten Dickbäuchigen. Henning, bis 100 halten auch wir locker durch.



