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"Stürz den Becher" – Störtebeker u.a. Heilige

  • gaarz8
  • 28. Jan.
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Jan.

Folge 12


Kann man ohne Kopf laufen? Elon Musk und Alice Weidel können es, und viele glauben den Demokratiefeinden. In Wirklichkeit ist es ein Ding der Unmöglichkeit.


Obwohl – in Hamburg hat es das gegeben: Laufen ohne Kopf. Dazu muss man allerdings rund 600 Jahre zurückgehen … Damals hatten die Hamburger „Pfeffersäcke“ in einer Seeschlacht bei Helgoland den berühmtesten aller Piraten gefangen genommen: Klaus Störtebeker. Er wurde auf dem Grasbrook hingerichtet und hatte vorher eine Abmachung mit dem Henker getroffen: Nach seiner Enthauptung würde er – ohne Kopf! – an möglichst vielen seiner mitangeklagten Vitalienbrüder vorbeilaufen. Die sollten verschont bleiben. Er selbst schaffte es bis zum elften Mann, dann stellte ihm der Henker ein Bein.


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Diese Geschichte muss wahr sein, denn 1878 fand man beim Bau der Hamburger Speicherstadt einen Schädel mit einem Loch im Kopf; der Störtebeker zugeschrieben wurde. Denn im 14. Jahrhundert wurden die Köpfe von Hingerichteten zur Abschreckung auf Pfähle genagelt.

 

Und im altehrwürdigen Museum für Hamburgische Geschichte haben sicherlich 99 Prozent der Hamburger Grundschüler vor „Störtebekers Totenschädel“ gestanden. Ich natürlich auch. Ehrfürchtig, mit Gänsehaut und zitternden Knien: Geschichte zum Anfassen. Und so wuchs ich mit einer Lüge auf. Einer? Einem ganzen Sack voller Lügen. Wir Hamburger Fischköppe, ich gebe es zu, basteln uns unsere Geschichte bisweilen recht freihändig selbst.

 

Das fängt mit „Klaus Störtebeker“ an. Der Name klingt einleuchtend: aus dem Plattdeutschen übersetzt heißt er "Stürz den Becher" … weil der Freibeuter einen damals üblichen Krug mit vier Litern Bier (aber allenfalls Kölsch, dg) in einem Zug austrinken konnte. Zum Namen und zum Geburtsort gibt es zig Varianten: Nicolao Stortebeker, Nikolaus Storzenbecher, Johann Stortebecker aus Wismar oder der Insel Rügen. Auch dänische Namen sind dabei. Und natürlich ist seine Hinrichtungsgeschichte ebenso schartig wie der wahre Ursprung des Totenschädels. Aber die Phantasie anregenden Geschichten sind es trotzdem.

 

Bei „Phantasie anregenden Geschichten“ bin ich zum Schluss wieder in Kölle. Denn vorsichtig formuliert ranken sich auch um die Reliquien im weltberühmten Dreikönigsschrein viele Legenden. Die „Heiligen Drei Könige“ waren weder Könige, noch waren es drei und heiliggesprochen sind sie bis heute nicht.


Die Gebeine kamen Anfang des 4. Jahrhunderts über Syrien nach Konstantinopel und Mailand. In den folgenden Jahrtausenden wechselten sie als Kriegsbeute immer wieder die Besitzer, und ihre Zahl stieg wundersamerweise auf fünf. Dadurch und durch den prunkvollen, goldenen Dreikönigsschrein stieg Köln in die absolute Top–Gruppe der Wallfahrtsorte auf … und ist es bis heute geblieben. Die Kölner ließen sich seit jeher von den Pilgern ihre Sonderstellung vergolden – bei der Beherbergung, beim Essen und Trinken, beim Souvenir– und Ablasshandel.


Eine Fortsetzung fand der „Ablasshandel“ in Köln übrigens mit der „Übernachtungssteuer“ vom vorigen Jahr. Da machen wir Hamburger es günstiger. Ein Besuch im Museum für Hamburgische Geschichte, um den gefakten Schädel von Klaus Störtebeker zu sehen, kostet 5 Euro … wenn es nicht, wie jetzt gerade, wegen Umbauarbeiten geschlossen ist. Klaus, wir kommen wieder! Zitter, zitter, bibber, bibber.

 
 

https://www.fischkopp-in-koelle.de

E-Mail:: gaarz@media-team-gaarz.de

„Manchmal ist das Glück am größten, wenn es ganz klein ist. Deshalb würde ich, wenn ich mein Leben aufschreiben müsste, nur Kleinigkeiten notieren“ –Franz Kafka

 

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