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"Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet"

  • gaarz8
  • 13. Jan. 2024
  • 2 Min. Lesezeit

– mit Kölsch, einem Schwimmkran und Kiste 13

Folge 4


"Kölsch" ist rheinische Hochkultur – in doppelter Hinsicht: einmal in flüssiger Form als helles, leichtes ("labberiges"), obergäriges Bier, serviert in länglichen 0,2-Liter-"Kölsch-Stangen". Dem "Kölsch" sprechen klassische Gerstensaft-Trinker generell die Bezeichnung "Bier" ab. Auch die dazugehörenden Köbesse in den Kölner Brauhäusern sind mit ihrer direkten, schnodderigen Art zumindest für uns Norddeutsche gewöhnungsbedürftig. Immerhin, in Kölle ist noch keiner verdurstet. Auch ich führe auswärtige Freunde und Kollegen gern zum Beispiel ins "Sünner im Walfisch" und gebärde mich dann wie ein Einheimischer.

 

Bis auf die Sprache. Denn bekanntlich ist "Kölsch" auch eine TV-weltweite Mundart. Ich habe im Laufe der Jahre diesen Singsang-Klang verstehen und lieben gelernt. Na ja, nicht ganz. Denn in meinen ersten Jahren im Rheinland habe ich – unbewusst oder bewusst – meine niederdeutsche Sprachidentität gepflegt .... und bis heute sage ich "büschen" oder "lütten".

 

Ich bin tatsächlich mit Plattdeutsch aufgewachsen. Meine Eltern sprachen Hamburger Platt untereinander (in meiner Erinnerung: wenn etwas nett gemeint war). Ansonsten war bei uns Plattdeutsch eher verpönt ... man wollte zur Mittelschicht gehören.

 

Ich selbst habe eine besondere Erinnerung an unverfälschtes Platt. Denn mein Studium finanzierte ich mir als Wachmann auf einem Schwimmkran ("Greif II") für Massenschüttgut im Hamburger Hafen. Angestellt bei der Stauerei Lütjen & Reimers für 10 Mark pro Tag und vor allem pro Nacht. Ich war für die Kontrolle der Festmacherleinen und die Nacht-Laternen zuständig und wohnte unter Deck in zwei stählernen Räumchen mit Bullaugen und Gaslicht. Die Stammbesatzung bestand aus kernigen, deftigen Finkenwerdern, dem traditionellen Elb-Stadtteil der Schiffer und (ehemals) Fischer. Sie hießen Fiete, Ibbo, Ocke und Thewes. Erst beäugten sie den "Studierten" misstrauisch und wurden noch wortkarger als von Natur aus. Und ihr Finkenwerder Platt war anfangs wie eine Fremdsprache für mich.

 

Das und auch die Beziehung untereinander änderte sich allmählich. Denn bald machte ich auch meine ersten "Schichten" mit: schweißtreibende, kraftzehrende, staubige Schaufelarbeit im Schiffsinnern. Dort entlud der längsseits an den Frachtern vertäute Kran wahlweise Erze, Roheisenblöcke, Kohle oder Kokosfasern. Er kam aber mit seinem Greifer nicht bis in die Ecken. Dort schaufelte ich dann mit mehreren „Schauerleuten“. Und weil ich auch bei der dreckigsten Arbeit nicht murrte und seltener auf dem Schaufelstiel ein Kurznickerchen brauchte, erwarb ich mir nach und nach Anerkennung.

 

Geredet allerdings wurde nach wie vor nicht viel. Aber als mir die erste Flasche Bier zugeworfen wurde, war klar: Ich gehörte dazu. Von nun an verzog ich mich in den Arbeitspausen – "Fofftein" (Fünfzehn) genannt – nicht mehr in meine Wachmann-Räume, sondern blieb zum Klönschnack in der Achterdeck-Messe. Und nach und nach bekam ich auch meinen Anteil an „Kiste 13“. Meist Proviantkisten, die „unglücklicherweise“ beim Verladen kaputtgegangen waren. So füllte sich meine „Wohnung“ mit Hochprozentigem und allerlei Trockenmilch-Konserven, ein anderes Mal mit Spargel-Dosen. Ich verschenkte, ich tauschte, ich lernte, mich am Freihafen-Zoll vorbeizudrücken. Ich ließ mir einen Bart wachsen und war „uns Buttje“, das Maskottchen an Bord. Und das Finkenwerder Platt habe ich bis heute im Ohr.

 

PS: Durch Zufall erfuhr ich, dass der Schwesterkran „Greif I“ späte Berühmtheit erlangt hat: als „kleinstes Luxushotel“ im Hamburger Hafen, für eine halbe Million Euro umgebaut und 2018 eröffnet. Übernachtungspreis zwischen 390 und 450 Euro. Luxus pur für Nostalgiker. Die Atmosphäre hatte ich damals umsonst. Allerdings ohne „Schlafen in Shuj-Seide“ und Champagner-Minibar.


ree



 
 

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„Manchmal ist das Glück am größten, wenn es ganz klein ist. Deshalb würde ich, wenn ich mein Leben aufschreiben müsste, nur Kleinigkeiten notieren“ –Franz Kafka

 

Geschlechtsneutrale Ansprache. Für die bessere Lesbarkeit verzichte ich auf die Verwendung geschlechtsspezifischer Sprachformen. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter (m/w/d)

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